
„Wir schaffen Verbindungen“
Interview BuildingPoint-IngWare-SORBA in der Bauingenieur
Wir schaffen Verbindungen
Eine Schweizer Innovation ermöglicht vollständig integrierte Workflows für Baumeister und Bauingenieure im Modell. Statt eine Anwendung zu vergrössern, haben marktführende Anbieter sich auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und ihre Lösungen miteinander verbunden. So können ihre gemeinsamen Kunden über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes miteinander optimal verbunden arbeiten. Wir unterhielten uns mit den Entwicklern und Anbietern über ihre Gesamtlösung, welche sie an onlineEvents «baumeister.digital» und «bauingenieur.digital» vorgestellt haben.
«der bauingenieur»: Sie haben gemeinsam eine neue Lösung geschaffen?
Urs Stäheli: Genau. Was daran wirklich neu ist: Dass wir nun gemeinsam den gesamten Prozess, bei dem der Ingenieur und der Baumeister beteiligt sind, unterstützten können und statt verlustintensiven Schnittstellen direkte Verbindungen nutzen. Von dem Modell der Planung, über die Statik, dann zur Ausschreibung, dann zur Ausführung, wo es dann wieder in der Bauvermessung genutzt wird, dann weiter in die Rapportierung und zum Schluss in die Abrechnung.
Markus Tretheway: Es hört sich zuerst vielleicht abstrakt an oder auch zu gut, um wahr zu sein, aber tatsächlich sind in unserer Lösung alle wesentlichen Akteure des Rohbaus mit ihren Aufgaben verbunden, sei es der Bauingenieur, Bauzeichner, Bauführer, Polier oder der Eisenleger. Wir integrieren beispielsweise die Konstruktion mit der Statik für Bauingenieurbüros (Dirk Mennenga pflichtet bei: Ja, wir arbeiten auch auf Bauingenieurseite mit den Modellen der Konstrukteure und sind bidirektional verbunden). Markus Tretheway weiter: Dass die Bauadministration mit den gleichen Modellen wie beispielsweise die Bauvermessung arbeiten kann, ist eine weitere Innovation (Urs Stäheli nickt mit einem freudigen Lachen).
„Dass die Bauadministration mit den gleichen Modellen wie beispielsweise die Bauvermessung arbeiten kann, ist eine weitere Innovation.“
Absolut neu ist, dass es uns gelungen ist, nicht eine noch grössere Alleskönnerlösung zu bauen, sondern die Kernkompetenz eines jeden von uns und unserer Tools zu stärken und gleichzeitig mit den Stärken der anderen Tools sowie Kompetenzen des Partners zu verbinden.
Wer profitiert davon – und wie?
Urs Stäheli: Vor allem profitieren sicher unsere Anwender davon, indem sie über die neu geschaffenen Prozesse effizienter werden. Weil der Nutzer seine Daten nicht doppelt oder dreifach anfassen muss. Er kann die Daten im System einmal eingeben und sie dann weiterverwenden.
Dirk Mennenga: Ich schliesse mich dem absolut an. In der Vergangenheit haben sich unsere Kunden auf ihre eigene Leistung im Bauablauf und in der Planung konzentriert. Nun aber wird die Betrachtung des Bauwerks über den Lebenszyklus sowohl aus eigenem Antrieb unserer Kunden sowie für professionelle Bauherren immer wichtiger. Man sieht nicht mehr nur Mosaiksteinchen, sondern das Gesamtbild. Es wird nun nicht allein der eigene Prozessschritt optimiert, sondern es wird der Gesamtprozess weitergebracht. Es wird nicht nur erkannt, was man für den eigenen Ablauf besser machen kann, sondern was das Gesamtprojekt weiterbringt. So wird nicht nur sichtbar, was ich machen kann, sondern was ich für den Nächsten im Ablauf machen kann. Es ist alles miteinander verknüpft, nicht nur meine kleine Fachplanungsinsel ist nun wichtig, sondern alle am Bauwerk Beteiligten sind wichtig.
„Es ist alles miteinander verknüpft, nicht nur meine kleine Fachplanungsinsel ist nun wichtig, sondern alle am Bauwerk Beteiligten sind wichtig.“
Markus Tretheway: Alle am Bauprojekt Beteiligten profitieren vom gemeinsamen Nutzen der Daten. Es gibt Studien (zum Beispiel vom Nist), die gemessen haben, wie oft mit Papier und klassischen CAD-Systemen dieselbe Information während des Planens und Bauens in unterschiedliche Systeme eingegeben, kopiert, kontrolliert, abgeklärt werden müssen und was dies – unabhängig der erhöhten Fehleranfälligkeit – kostet. Etwa 0,5 Prozent der Baukosten kosten diese manuellen Arbeiten, nimmt man die daraus entstehenden Fehler und Leerläufe noch dazu, dürften es schnell fünf bis zehn Prozent ausmachen. Geld, das unsere Kunden sicherlich lieber als Gewinn haben möchten. Mit unseren verbundenen Systemen sind solche Mehrfachaufwände und Risiken weitestgehend eliminiert, weil die Daten weitergereicht werden können, ohne dass dieselben Eingaben wieder nötig wären.
Urs Stäheli: Gerne gebe ich ein Beispiel aus der Praxis wie dies geht: Im CAD werden Wände und Decken modelliert und mit Attributen versehen, diese können von der Statiksoftware verlustfrei weitergenutzt werden. Die gleichen Daten dienen der Berechnung der Mengen, welche direkt von der Ausschreibungssoftware für den Kostenvoranschlag genutzt werden. Aus dem gleichen Modell werden die Daten für die modellbasierte Baustelle automatisiert «paketiert» und ohne Umwandlung von der Bauvermessung genutzt … und so weiter – vor zwei Jahren noch weitestgehend undenkbar – genau das haben wir geändert.
Das gilt sowohl für Hoch- als auch für Tiefbauten?
Urs Stäheli: Im Moment haben wir uns auf den Hochbau konzentriert aber die Methoden und Verbindungen sind auch für andere Projektarten wie Brücken- oder Tunnelbauten einsetzbar. Im Strassenund Gleisbau sind wir noch nicht so weit.
Wie funktioniert das modellbasierte Arbeiten mit euren Verbindungen?
Markus Tretheway: Eine der häufigsten Herausforderungen für Anwender ist der Umgang mit Daten von Vorgängern. Die Qualität stimmt nicht, es sind keine Bauteile usw., ja vieles kann dabei sehr zeitraubend sein und kann ein modellbasiertes Projekt auch in die Knie zwingen. Dieses Problem haben wir zwischen Bauingenieur und Baumeister aufgelöst, das gibt es nicht mehr. Bei uns verläuft alles verbunden mit qualitativen, präzisen und nutzbaren Daten.
Zudem sprechen wir nicht mehr über Linien, sondern über Wände, Decken und Betonierabschnitten, alles wird viel klarer. Dies gilt für alle – egal, ob für den Statiker im Büro oder beim Eisenleger auf der Baustelle.
„Dies gilt für alle – egal, ob für den Statiker im Büro oder beim Eisenleger auf der Baustelle.“
Urs Stäheli: Oder natürlich auch beim Ausmessen. Wenn man im Leistungsverzeichnis auf ein «Ausmass» klickt, sieht man, welche Elemente im Modell damit verbunden sind. Man weiss somit sofort, welche Positionen noch ausgemessen werden müssen.
Dirk Mennenga: Das gemeinsame Arbeiten im Modell ist schon relevant, auch im Hinblick auf die lange Nutzungsdauer von Gebäuden. Bauwerke werden ja nicht für fünf Jahren erstellt, sondern für erheblich längere Nutzungsdauern. Während der Gebäude-Lebensdauer können zudem unterschiedliche Nutzungsarten zum Einsatz kommen. Einer baut es um, da kommen zum Beispiel die Wände raus, dann müssen die Fachplaner jedesmal die Grundlagen erarbeiten.
Somit ist es auf jeden Fall sinnvoll, wenn man eine Datenbasis hat, die man gesamtheitlich betrachten kann, und dies über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes. Es können aber auch Änderungen während der Planungszeit vorgenommen werden. Beispielsweise hat der Bauherr einen neuen Mieter, der andere Anforderungen stellt. Und plötzlich brauchen wir mehr Nutzlast, die bisherige Statik funktioniert nicht mehr und alle müssen ad hoc Lösungen suchen. Es ist natürlich vorteilhaft, wenn man das konstruktiv im Modell umsetzen kann, zeitnah, aber auch mit guten Verbindungen zwischen den einzelnen Lösungen. Wenn es schon Auswirkungen in der Statik hat, auf der Ingenieurseite, aber auch auf der Kostenseite. Damit können die Bauschaffenden den Bauherrn auch optimiert beraten und erklären, wie die Änderung machbar ist und was sie kostet.
Es wird visuell sichtbar, welche Auswirkungen die Änderung mit sich ziehen würde. So bringen die Verbindungen zwischen den Fachplanern einen Mehrwert, einerseits während des Planens und Bauens, andererseits aber auch weiterhin über die Nutzung.
Welche Vorteile ergeben sich davon?
Urs Stäheli: Ha, da gibt es viele. Jede Menge. Vielleicht beginnst du aus der Statik (zu Dirk Mennenga).
Dirk Mennenga: Generell sind wir in Entwicklungen und dürfen nicht stehen bleiben. Denn wer stehen bleibt, fällt in Wirklichkeit zurück. Die Welt bewegt sich weiter und wir sehen es ja, dass alles irgendwo auf stets fortschreitender Vernetzung einhergeht. Schon auf privater Ebene erleben wir bei den Apps eine immer stärkere Vernetzung, neuere Ansätze, die mit entsprechender Hardware daherkommen, und Software, die mitzieht. Es ist immer so: Die einen tun etwas, dann können sich die anderen wieder mehr leisten. So auch in der Mobilität, bis man da wieder eine gewisse Flexibilität erreicht hat. Es genügt nicht, dass man alles irgendwo in schönen Bücherregalen archiviert. Oder dass die Unterlagen nicht nur im Baubüro im Ordner liegen, sondern dass wir die entsprechenden Werkzeuge auch auf der Baustelle zur Verfügung haben. Ich sehe darin nicht nur die Landeskoordinaten, sondern direkt die Armierung, wie sie eingelegt werden muss. Entsprechend kann man in einem Guss drin sehen, wo was nötig ist oder wird. Nicht irgendwo in einem Archiv.
Zum Beispiel für die Armierungsabnahme …
Dirk Mennenga: Genau, dafür gibt es viele Beispiele in der Praxis in der Schweiz. Heute nutzen wir einfach mit den mobilen Geräten, die wir jetzt ja alle haben, die Tools, die wir früher nur am Schreibtisch hatten. Wir können diese jederzeit und überall nutzen. Im Urlaub, wenn wir wollen, im Auto über die Freisprechanlage, E-Mail im Zug schreiben, ich kann Daten öffnen, Modelle viewen, kommentieren oder auch erklärend nutzen irgendwo, zum Beispiel mit den Bauherren auf der Baustelle. Dieser hat eine Frage, die noch nicht besprochen wurde. Dann muss man nicht sagen, ja ich muss sie auf morgen vertrösten, nachdem ich im Büro nachgeschaut habe, weil ich die Antwort jetzt nicht habe. Jetzt kann ich sagen: Einen Moment, ich schaue nach, hier habe ich das grad herausgesucht, dieses und das geben uns die Antwort.
Was ist die nächste Innovation?
Markus Tretheway: Das ist immer wieder die Frage: Was ist das nächste Grosse, das kommt – the next big thing? Ich würde sagen, mit unserer Lösung ist dies geschehen und eröffnet komplett neue Möglichkeiten für heute und in Zukunft. Es verändert die Prozesse. Es ermöglicht Beschleunigungen, weil es vieles automatisiert, was früher manuell gemacht werden musste, es werden damit auch Fehler eliminiert.
„Wesentlich ist das Miteinander und nicht Nebeneinander, das ist der Weg, der Fortschritt bedeutet.“
Vor 20 Jahren haben wir schon 3D gearbeitet. Es brauchte 20 Jahre, bis wir in der Schweiz für das 3D-Arbeiten 50 Prozent Abdeckung erreicht hatten. Mit unserer Lösung arbeiten wir mit intelligenten, parametrischen 3D-Modellen welche die traditionellen 3D-Modelle am Ersetzen sind. Wir sind optimistisch, dass dank der Parametrik und den direkten Verbindungen zur Statik, Bauadministration und Ausführung dieser Schritt nicht 20 Jahre dauern wird. Natürlich gibt es Trends wie Internet of Things, Sensorik oder Roboterisierung, diese werden die Modelldaten noch viel stärker nutzen. Ich habe gedacht, es gehe länger, aber de facto werden in diesem Jahr die ersten Roboter auf der Baustelle eingesetzt, auch in der Schweiz. Das ist nicht mehr Jahrzehnte entfernt. Deshalb: Wenn man nicht jetzt beginnt, parametrische Modelle in Kombination mit verbundenen Systemen einzusetzen, dann verliert man national und international an Wettbewerbsfähigkeit..
Dirk Mennenga: Wesentlich ist das Miteinander und nicht Nebeneinander, das ist der Weg, der Fortschritt bedeutet. Für uns als Bau begeisterte, denn wir haben die Branche gewählt, weil wir sie gern haben, das Bauen, die Baustelle, das Gebäude, das Schaffen, dass wir sehen, was wir gebaut haben, und wir wollen, dass auch in Zukunft noch viel miteinander gearbeitet wird.